Zur Blog-Übersicht

Die Sache mit dem gelöschten Friedenslied

August 2024

Ja, ich hatte ein mulmiges Gefühl, als ich von der Löschung meines Videos "Absage" auf Youtube erfuhr - 10 Stunden nach seiner Veröffentlichung. Der erste Gedanke ist mittlerweile ja immer, dass der Inhalt den "dunklen" Mächten ein Dorn im Auge ist. Werden etwa schon Lieder zensiert, weil sie die Kampfmoral der Deutschen schwächen könnten? Bin ich jetzt in den Fokus der staatlichen Verfolger geraten? Mich erinnerte gleich noch jemand an das Schicksal des chilenischen Sängers Victor Jara, der wegen seiner Lieder vom Pinochet-Regime gefoltert und getötet wurde. Die dunklen Fantasien blühten - und das kommt nach all den Erfdahrungen der letzten Jahre nicht von ungefähr.
So wie es sich aber derzeit darstellt, gingen all diese Gedanken in die falsche Richtung.

Da das Video nach der Vorab-Prüfung zugelassen wurde und mehrere Stunden online war, scheint wohl ein nicht zugeneigter Beobachter einen Richtlinienverstoß bei Minute 4:00 gemeldet zu haben. An dieser Stelle habe ich im Video ein Bild aus dem 2.Weltkrieg benutzt, das eine auf der Straße liegende Soldatenleiche zeigt. In den Youtube-Richtlinien steht:

(nicht erlaubt sind) " ... Filmmaterial, Audioinhalte oder Bilder, die ... Folter, Leichen, ... oder andere Szenarien dieser Art zeigen, um bei Zuschauern Schock oder Ekel hervorzurufen."

Die Prüfung jener Meldung wird vermutlich nicht von einem Menschen durchgeführt worden sein, sondern von einer einfach gestrickten KI. Diese hat ohne Berücksichtigung des Kontextes analysiert, dass das Bild eine Leiche zeigt, ergo grausam ist - Bumms.
Möglicherweise wird bei anderen Veröffentlichungen, gerade im Bereich Musik, nicht so genau hingeschaut. Der entscheidende Punkt ist, ob der Inhalt von einem Zuschauer gemeldet wird. Zusätzlich wird es im Youtube-Algorithmus Signale geben, die dringenden Handlungsbedarf bei schnell steigenden Klickzahlen anzeigen. Eine kurze Überprüfung meinerseits ergab, dass Leichen in viel geklickten Youtube-Kriegs-Videos verpixelt sind.

Einspruch meinerseits formal akzeptiert. Statt der Soldatenleiche sieht man nun ein Soldatengrab aus dem zweiten Weltkrieg. Das Video ist wieder online und eine erneute Löschung bisher ausgeblieben:
Hier bitte überprüfen.

Allerdings ist es ein Sinnbild, wenn Youtube seinen Nutzern den Anblick einer Soldatenleiche nicht zumuten will. Ein weggebombtes Haus aber ist kein Problem, sofern nicht der Arm eines Kindes raus guckt oder rumliegt. Der muss dann vom Youtube-Filmer weg geräumt oder verpixelt werden - denn das wäre ein grausamer Anblick. Nach allem, was in den letzten Jahrzehnten passiert ist, kommt hier die Bigotterie des Westens anschaulich zutage: Selbst kein Blut sehen können, aber den Tod in die ganze Welt bringen. Am besten ferngesteuert, und nach der Explosion die Übertragung beenden. Damit der sensible Soldat am Monitor den Appetit auf's Mittagessen nicht verliert, falls doch noch ein Mann mit abgetrenntem Bein aus den Trümmern kriecht.

Der Rest der Welt hat unsere ganz spezielle Art der (doppel-)moralischen Verkommenheit längst erkannt. Islamisten versuchen den Westen mit veröffentlichter Grausamkeit zu paralysieren, z.B. mit Enthauptungsvideos. Solche Videos sind vielleicht ein Grund für die Youtube-Richtlinie. Bei 9/11 wurden die Flugzeuginsassen in Schocklähmung gebracht, indem die Terroristen einem Passagier vor aller Augen die Kehle durchgeschnitten haben. Wir empfinden das als barbarisch. Wenn wir jedoch dafür sorgen, dass die Körper der Gegner von Bomben zerfetzt oder lebendig unter Trümmern begraben werden, dann nennen wir das: zivilisierte Kriegsführung.

Mich erinnert das an ein eigenes Dilemma. Ich esse gern Fleisch, aber ich könnte keinem Tier was zuleide tun. Ich habe deswegen ein schlechtes Gewissen, und ich bin allen dankbar, die die nötige Drecksarbeit für mich erledigen. Was ich aber wenigstens nicht mache - Bilder aus dem Schlachthof verteufeln, weil sie mir den Appetit verderben könnten.

Zurück zur Blog-Übersicht
Impressum: Gitarrero Software, Bärensteiner str.23-25. 01277 Dresden
Datenschutzhinweis: Diese Seite setzt keine Cookies.