Die Geschichte vom Sich-Anstecken und Angesteckt-Werden
Mai 2021Die meisten Menschen sind mit Geschichten leichter zu bewegen als mit Fakten und Daten. Dem allgemein verbreiteten Verständnis der Pandemie und den entsprechenden Handlungsanleitungen liegt eine Geschichte zugrunde. Es ist die Geschichte von der Infektionskette und sie geht so:
"Jemand steckt sich an und merkt es gar nicht und steckt dann jemand anderen an, der davon richtig krank wird, auf der ITS landet oder gar stirbt."
Diese Erzählung liefert dem ganz normalen Geschichtenhörer die unverkennbare Wertung. Er kann "Richtig" und "Falsch" leicht ableiten, erkennt "Gut" und "Böse" sowie "Opfer" und "Täter".
Mit einem kleinen sprachlichen Trick, den Sie vermutlich gar nicht bemerkt haben, habe ich das ganze noch besser herausgestellt. Der Täter STECKT SICH an (aktiv), während das Opfer ANGESTECKT wird (passiv).
In Wahrheit lassen sich bei Ansteckungsvorgängen aktive und passive Anteile nicht voneinander trennen. Nur erzählt es sich schlecht, dass jeder Mensch in einer Infektionskette Täter und Opfer zugleich ist. Wenn wir beispielsweise der Opfer der Pandemie gedenken, gedenken wir gleichzeitig der Täter.
Hat etwa jemand gefragt, ob die Opfer sich angesteckt haben, weil sie sich nicht an die AHA-Regeln gehalten haben? Nein.
Hat jemand gefragt, wie viele andere Menschen ein Opfer noch angesteckt hat? Nein. Man geht davon aus, dass sie angesteckt wurden. Vielleicht von Querdenkern, die sich bei einer Demonstration angesteckt haben? Obendrein vielleicht ohne selbst erkrankt zu sein? Das erzählt und merkt sich gut.
Schlecht erzählt sich die Realität, dass sich 50% der Toten gegenseitig im Altenheim angesteckt haben, oder bei ihren Pflegern. Es erzählt sich schlecht, dass sich kranke Menschen, die anderweitige ärztliche Hilfe aufsuchten, dummerweise genau dabei ansteckten - im Krankenhaus oder in der Praxis.
Es erzählt und merkt sich doch viel besser, wenn es schwarze und weiße Ansteckungen gibt. Sich anstecken ist schwarz, von anderen angesteckt werden ist weiß. Der kindlichen Vorstellungswelt von Gut und Böse ist somit besser Rechnung getragen. Der Kampf gegen das Virus ist ein Kampf gegen die schwarzen Ansteckungen - ein Kampf gegen die Bösen, die schwarze Ansteckungen verursachen und dabei selber natürlich nicht zu Schaden kommen.
Doch bald sind die Bösen gekennzeichnet. Denn nur Ungeimpfte können sich in Zukunft noch anstecken. Sie können so sogar zur Gefahr für jene Geimpfte werden, bei denen sich der Impfschutz nicht voll entwickeln konnte.
Aber diese Geschichte, liebe Kinder, die erzähle ich Euch ein andermal.